MACHTURLAUB

Konzeption einer ständigen Ausstellung in Prora

Konzeption und Erstellung einer digitalen, interaktiven Präsentation: Studentische Gruppenarbeiten, 2003/2004

Hintergrund und Aufgabenstellung

Das KdF-Ostseebad Prora ist eines der wenigen verwirklichten Architekturprojekte der nationalsozialistischen Führung im Vorfeld des 2. Weltkrieges. Im Sinne der NS-Ideologie und vor dem Hintergrund der Kriegsmobilisierung, sollten in diesem 4,5 Kilometer langen Bau 20.000 Deutsche gleichzeitig im wöchentlichen Rhythmus Urlaub machen können. Prora kann als Teilstück des Versuches verstanden werden, ein Volk durch permanente Bewachung, staatliche Organisation des gesamten Alltags (also auch Freizeit und Urlaub) und wiederholte Massenveranstaltungen
in einem suggestiven Rausch zu einer folgsamen Volksgemeinschaft zu formen.

Prora kann als exemplarischer Fall für die soziale Demagogie des NS-Staates einerseits und das moderne Phänomen der Vermassung in der heutigen Gesellschaft andererseits gesehen werden. Der von den Nationalsozialisten versprochene Seeblick für alle wird zu einem tragenden Element der Ausstellung. Sie befasst sich u.a. mit der Bedeutung des Ortes Prora und der Frage, warum dieser Ort eine Ausstellung braucht.
 

Idee und Umsetzung

Kernstück des Dokumentationszentrums bildet die ehemalige Empfangshalle der KdF-Ostseebadanlage. Als ein Ort der Verführung geplant, soll sie in unserer Ausstellung ein Ort der Aufklärung werden. Die Farbe Weiß unterstreicht die Monumentalität der Halle. Die grauen Pfeiler verstärken das Gefühl der Reihung und der Monotonie. Der Besucher wird auf einem mit Glas überdachtem Gleis mittig durch die Halle zentral auf die Projektionsfläche am hinteren Ende der Halle geleitet. Das Betreten des Fußbodens ist nicht verboten, aber die weiße Farbe soll ein Verbot suggerieren. Dieses Gefühl soll bewußt entstehen – der Besucher soll sich gezwungen fühlen, den vorgewiesenen Weg nicht verlassen zu können.

Die Bildträger in der Halle weisen eine besondere Oberflächenstruktur auf, die einen Wechsel des Bildmotivs ermöglichen. Der „Seeblick für alle“ ist symmetrisch zu beiden Seiten überdimensional groß auf den Wechselbildern abgebildet. An den Dachbalken sind im dezenten Grau propagandistische Parolen angebracht, die den Einzelnen als Teil einer Gemeinschaft ansprechen und deren Ton sich sukzessiv verstärkt bis sie schließlich in Parolen der Kriegspropaganda enden.

Die Inhalte der Wechselbilder zeigen entweder Bilder aus dem NS-Alltag (Vermassung und Reihung der Menschen, das Funktionieren des Individuums in der NS-Ideologie und die Ausrichtung der Gesellschaft auf den Krieg), Bilder aus der Gesellschaft, Kultur und Werbung der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart (Vermassung und Serie als Prinzip der Moderne) oder Bilder aus der NS-Zeit, Nachkriegszeit und Gegenwart: diese Verbindung verweist auf formelle und inhaltliche Parallelen (Massentourismus, Massenmedien, Massenverkehr). Sie sollen provozieren und zur Reflexion anregen.

Das erste Bild jedes Bildträgers zeigt immer den Ausblick auf den Strand, im Vorüberschreiten wechselt es in ein oder zwei weitere Motive. Der Blick zurück zeigt wieder den Ausblick auf den Strand.

Im Team mit acht weiteren Designstudenten entstanden neben dem Konzept der Halle auch Inhalte und Konzept für das Dokumentationszentrum, sowie ein Architekturmodell. Im Anschluss folgte die digitale Aufarbeitung der Ergebnisse in Form einer CD-Rom in Zusammenarbeit mit den Designern Henrike Ott und Marcel Franke.